Auf dem Wuppertaler Autismus-Kongress am 11. Mai 2024 berichtete ich über die Herausforderungen in der verbalen und non-verbalen Kommunikation, insbesondere für autistische Menschen.
Ein alltägliches Beispiel dafür war mein Ausgangspunkt. Mein Mann fragte nach einem Pflaster: „Weißt du, wo die Pflaster sind?“ Meine Antwort war zunächst ein einfaches „Ja“. Ich war im Nebenraum, hatte eine Verletzung nicht mitbekommen und es brauchte mehrere weitere Rückfragen, bis ich verstanden hatte, dass er unmittelbaren Bedarf hatte, dass ich ihm eins gebe. Seine in der Frage versteckte Aufforderung hatte ich nicht wahrgenommen. Solche Missverständnisse passieren, weil autistische Menschen oft die non-verbalen Hinweise übersehen, die für andere selbstverständlich sind. Diese Situation zeigt deutlich, wie unterschiedlich die Wahrnehmung und Interpretation von Kommunikation sein kann.
Ein weiteres Beispiel nannte ich aus meinem Berufsleben: mein früherer Vorgesetzter erzählte mir außerordentlich ausschmückend von einer freien Position in der Firma, ohne direkt zu sagen, dass ich mich doch bewerben könnte. Subtil enthaltene Hinweise hatte ich nicht verstanden. Glücklicherweise erscheint mir die verpasste Chance im Rückblick nicht allzu attraktiv. Für viele Menschen mag das Angebot offensichtlich gewesen sein, für mich jedoch nicht. Das zeigt, wie wichtig es ist, direkte und klare Kommunikation zu nutzen, besonders in einem beruflichen Umfeld, in dem Missverständnisse ernsthafte Konsequenzen haben können.
Die ICD-11 beschreibt, dass autistische Menschen Schwierigkeiten bei der Integration von Sprache und non-verbalen Signalen haben. Einige der dort aufgezählten Kriterien habe ich in Bezug zu den obigen und weiteren Beispielen gesetzt, um diese alltagsnäher zu veranschaulichen.
Kommunikation besteht aus vielen Ebenen, wie das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun zeigt, dass von Sachebene, Selbstkundgabe, Beziehungsebene und Appell ausgeht. Missverständnisse entstehen oft, weil Sender und Empfänger auf unterschiedlichen Ebenen kommunizieren. Auch für nicht-autistische Menschen ist es häufig herausfordernd, die Ebenen als Sender oder Empfänger vollständig zu bedienen, so dass Kommunikation oft fehleranfällig ist. Für Menschen im Autismus-Spektrum bedeutet das oft, dass sie auf der Sachebene bleiben und die anderen Ebenen nicht wahrnehmen oder falsch interpretieren. Für Menschen im Autismus-Spektrum sind die Herausforderungen nochmal höher, denn oft bleiben sie auf der Sachebene und nehmen die anderen Ebenen nicht wahr oder interpretieren sie falsch. Wichtige persönliche Nuancen und emotionale Signale vor allem in den non-verbalen Kommunikationsanteilen wie Gestik, Mimik, Körperhaltung oder Tonfall werden übersehen oder überhört.
Wie groß der Anteil der nonverbalen Kommunikation ist, verdeutlicht auch das Eisbergmodell von Sigmund Freud. Der ersichtliche Anteil über der Wasseroberfläche beträgt etwa 20 % – damit ist der klare, verbale Teil üblicherweise auf Sachebene gemeint. Alles andere befindet sich im nicht-sichtbaren Bereich. Bildlich gesprochen sehen die meisten Menschen den Eisberg – also die sachlich-verbale Kommunikation – klar vor sich und können durch klares Wasser noch ein ganzes Stück in die Tiefe sehen. Übertragen auf Kommunikation können sie über begleitende non-verbale Signale also noch viel mehr von der Botschaft verstehen. Autistische Personen stehen oft vor einem Eisberg, der an sich schon im Nebel liegt. Also bereits auf der rein verbalen Ebene können Informationen manchmal nur unvollständig erfasst werden. Zusätzlich liegt der Eisberg für sie auch noch in sehr trüben Gewässern, das heißt sie sehen bzw. verstehen über das gesprochene Wort hinaus kaum etwas.
Die Beschäftigung mit Kommunikationsmodellen und die theoretische Auseinandersetzung können helfen, kommunikative Prozesse bewusster zu begleiten, auf die Ebenen gezielter und geduldiger zu achten und damit Missverständnissen ein Stück weit vorzubeugen. Darüber hinaus fokussieren Menschen sich in der Kommunikation unbewusst auf einzelne ihrer 5 Sinne verstärkt. Auch ein Bewusstsein dafür verbunden mit einer Spiegelung der Ausdrucksweise des Gegenübers sowie seiner Körperhaltung kann helfen, Kommunikation erfolgreicher zu gestalten und ein besseres Verständnis füreinander zu entwickeln. Zudem ist es ratsam, nachzufragen, wenn etwas unklar ist. Auf diese Weise können die Herausforderungen der Kommunikation gemeinsam gemeistert werden.
Ja, das erfordert Anstrengung und Verständnis von beiden Seiten. Aber die Mühe lohnt sich, um eine harmonischere und effizientere Kommunikation zu erreichen!